Lebensmittel: Verbot für Problem-Stoff ab 2022 – doch es gibt eine Ausnahme - ruhr24.de

Titandioxid steht im Verdacht krebserregend zu sein. Deshalb wird er ab 2022 in Lebensmitteln verboten – allerdings mit einer großen Ausnahme.

Dortmund – 2022 kommen einige Änderungen auf Verbraucher zu: Neben neuen Pfandregeln im Supermarkt, soll auch ein Stoff in Lebensmitteln verboten werden, der schon lange im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Das Kuriose an der Änderung ist jedoch: In Arzneimitteln darf er wohl weiterhin enthalten bleiben.

Titandioxid Weißpigment
Chemische Formel Formel: TiO2
Wird eingesetzt zur Aufhellung von Kaugummis, Hustenbonbons, Zahnpasta oder glänzender Überzug bei Tabletten und Süßigkeiten
Ist Titandioxid verboten? In Frankreich ja, in Deutschland ab 2022

Änderungen 2022: Titandioxid wird in Lebensmitteln verboten

Aber von Anfang an: Konkret geht es bei dem Verbot um Titandioxid. Das chemische Element wird in der Lebensmittelindustrie genutzt, um Produkte aufzuhellen oder helle Farben weiß strahlen zu lassen. So findet man den umstrittenen Stoff beispielsweise in Kaugummis, Dragees oder Hustenbonbons, die mit einem weißen Überzug versehen sind. Auch in Sonnencreme, Tattoofarbe oder Zahnpasta kommt Titandioxid vor.

Die Meinungen über Titandioxid klaffen auseinander. Die einen halten das Weißpigment für unbedenklich, die anderen – so zum Beispiel auch die Europäische Chemikalienagentur – gehen davon aus, dass Titandioxid krebserregend oder erbgutschädigend wirken kann.

Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) merkte zudem an, dass Titandioxid in der Regel zwar nur in geringen Mengen über die Nahrung aufgenommen wird, jedoch lange Zeit benötigt, um wieder aus dem Körper ausgeschieden zu werden. Dabei besteht die Gefahr, dass sich die Substanz im Gewebe anreichert.

Verbote 2022: Krebserregendes Pigment darf Lebensmitteln nicht mehr beigefügt werden

Bislang war das Mittel in Deutschland zwar als „nicht sicher“ eingestuft, verboten war es aber – im Gegensatz zu Frankreich – jedoch nicht. Laut der Verbraucherzentrale soll sich das 2022 aber nun ändern. „Dieser Zusatzstoff (E171), bei dem nicht auszuschließen ist, dass er genetisches Zellmaterial verändern kann, muss 2022 aus den Produktzusammensetzungen der Lebensmittelindustrie verschwinden“, heißt es in einer Mitteilung der Verbraucherschützer.

Das Verbot von Titandioxid soll EU-weit Anfang 2022 durchgesetzt werden. Die EU-Mitgliedstaaten haben einem entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission zugestimmt, nun muss das neue Gesetz nur noch in Kraft treten. Es soll außerdem eine Übergangsphase von sechs Monaten geben, bis das Weißpigment vollständig aus der Lebensmittelbranche verschwunden sein muss.

Verbot von Titandioxid 2022 – allerdings mit einer großen Ausnahme

Soweit so gut. Diesen Schritt könnten Verbraucherschützer als Erfolg auf ihrem Konto verbuchen, wenn es an der Sache nicht einen Haken gebe. Wie Martin Rücker auf Medwatch berichtet, soll Titandioxid nämlich in einigen Arzneimitteln auf lange Sicht auch weiterhin enthalten bleiben.

In Deutschland ist das unter der Nummer E 171 verbreitete Weißpigment nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in rund 16.000 Medikamenten enthalten – die Bandbreite reicht von Ibuprofen bis hin zu Antibiotika. Auch in Tabletten wird Titandioxid als Weißmacher und Überzugmittel genutzt. Es wird also ähnlich wie bei Lebensmitteln oder Kosmetika zwar in geringen Mengen aufgenommen, kann sich aber laut BfR im Gewebe anreichern.

Titandioxid wird bei Medikamenten als Überzug, aber auch als Schutz für empfindliche Wirkstoffe angewendet.

©  Loic Venance/AFP, Collage: RUHR24

Warum bleibt der umstrittene Farbstoff dann im medizinischen Bereich erlaubt, in der Lebensmittelindustrie jedoch nicht? Laut Rücker, ehemaliger Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, ist die Zusammensetzung von Arzneimitteln im Gegensatz zu Lebensmitteln nicht so einfach zu ändern. 

Krebsverdächtiges Titandoxid darf weiterhin in Medikamenten eingesetzt werden

Eine Umstellung könne zwischen sieben und zwölf Jahre dauern, fraglich sei außerdem, ob man den Stoff bei Medikamenten überhaupt ersetzen könne, so die Einschätzung der Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA). Sie kommt daher zu dem Schluss, dass „die Machbarkeit eines Verzichts auf Titandioxid zurzeit nicht bestätigt werden“ kann. Heißt konkret: Der potenziell krebserregende Pigment bleibt vorerst in Medikamenten enthalten.

Die Entscheidung muss mit zweierlei Maß betrachtet werden. So wird in der Pharmaindustrie Titandioxid einerseits eingesetzt, um empfindliche Wirkstoffe zu schützen. Andererseits wird er den Medikamenten aber auch aus rein ästhetischen Gründen beigefügt, damit sie – ähnlich wie auch Zahnpasta oder Hustenbonbons – weißer glänzen. Eine Kennzeichnung, wann Titandioxid zu welchem Zweck eingesetzt wird, ist laut EMA „schwierig oder vielleicht gar nicht möglich“.

Alternative für krebserregendes Pigment: Manchmal geht alles ganz schnell

Die Agentur will es daher erstmal dabei belassen und appelliert an die Pharma-Hersteller sich anzustrengen, einen Ersatzstoff zu entwickeln. Wie Rücker anhand des prominenten Beispiels von Ibuprofen anführt, gibt es auf dem Markt bereits Alternativen. Während Ratiopharm vorwiegend Schmerztabletten mit Titandioxid herstellt, hat Konkurrent Stada Ibuprofen ohne das Weißpigment entwickelt. Über eine mögliche Zusammensetzung hält sich der Konzern allerdings bedeckt.

Noch ist das Problem also nicht so einfach zu lösen, wie bei den Lebensmitteln. Und so müssen Verbraucher – ebenso wie die EMA – erstmal darauf hoffen, dass sich die Industrie anstrengend Alternativen zu entwickeln. Immerhin: Auch in der Lebensmittel- und Kosmetikbranche schien E 171 lange Zeit unersetzbar.

Bis die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit im Mai 2021 Titandioxid als „nicht sicher“ einstufe und plötzlich sich viele Kunden nach Alternativ-Produkten umschauten, die ohnehin auf das Pigment verzichteten. Und nun – nicht ein Jahr später – kommt es schon zum Verbot von Titandioxid in Lebensmitteln. Manchmal kann es dann doch ganz schnell gehen.

Rubriklistenbild: © George Frey/AFP, Daniel Karmann/dpa, Collage: RUHR24

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