Start-ups fürs Klima: Steaks ohne Fleisch, Schokolade ohne Kakao - Berliner Zeitung

Berlin - 2,8 Milliarden Einwegbecher werfen die Deutschen jeden Tag weg. 80 Becher jede Sekunde. Die allermeisten landen im Restmüll. Dass das aufhören muss, dämmerte Fabian Eckert und Florian Pachaly schon 2016. Damals gründeten sie in München Recup. Heute, fünf Jahre später, betreiben die beiden mit bundesweit mehr als 5000 Ausgabestellen das größte Pfandsystem für Mehrwegbecher in Deutschland. Wer seinen Kaffee im Recup-Becher will, zahlt einen Euro Pfand. Wer den Becher zurückgibt, bekommt den Euro zurück. Die Cafés und Restaurants zahlen für Recup zwischen 25 und 45 Euro im Monat. Dafür liefert Recup die Becher und tauscht kaputte aus. Im Schnitt werde laut Recup 75-mal aus einem Becher getrunken.

Eckert und Pachaly beschäftigen inzwischen mehr als 50 Mitarbeiter, seit zwei Jahren erwirtschaftet ihr Start-up Gewinn. Und gerade erst hat sich der World Fund an der jungen Firma mit einer siebenstelligen Summe beteiligt. Recup ist eines der ersten drei Investments des grünen Beteiligungsfonds, hinter dem die Gründer und Investoren der Berliner Suchmaschine Ecosia stehen. Bis nächstes Jahr will der Fonds 350 Millionen Euro bei Investoren einsammeln, mehr als die Hälfte hat er schon beisammen.

Mit dabei sind etwa Rolf Schrömgens, der Co-Gründer von Trivago, die Seriengründerin Verena Pausder und ihr Mann Philipp, der Gründer von Thermondo, die Investmentplattform Econos, hinter der Alexander Samwer steht, oder auch der WM-Held Mario Götze. Der Fonds lockt mit dem Versprechen, mit seinen Investments zwei Gigatonnen CO2 bis 2040 einsparen zu wollen. Das wären mal eben 4 Prozent der globalen Emissionen.

Fürs Klima: kakaofreie Schokolade und fleischfreie Steaks

Kleiner können die anderen denken. Schielen die meisten Venture-Capital-Fonds bei ihren Beteiligungen auf schnelle Exits und hohe Renditen, verfolgt der World Fund von Ecosia eine völlig andere Strategie. „Geld bekommt nur, wer mit seinen Erfindungen Emissionen einspart oder einen positiven Beitrag für das Klima leistet“, sagt Daria Saharova, eine der vier Partnerinnen und Partner des World Fund. Und das ist nicht einfach nur dahingesagt, das sei messbar: Jede Technologie, die der Fonds unterstützt, müsse das Potenzial haben, mindestens 100 Megatonnen CO2 pro Jahr einzusparen.

Um zu messen, wie klimafreundlich die einzelnen Start-ups wirklich sind, kollaborieren Saharova und ihr Team mit der NGO Project Drawdown, die Organisationen hilft, klimafreundlich zu werden, dem Crane Tool, einer Softwareplattform, die das Emissionsminderungspotenzial von Start-ups berechnen kann, und der Technischen Universität Berlin. „Wir haben zusammen eine Messtechnologie entwickelt, um zu evaluieren, wie viel Treibhausgase in einem problematischen Markt anfallen können und welchen Einfluss ein Klima-Start-up darauf haben könnte“, sagt Saharova.

Neben Recup ging das erste Investment des World Fund an das Start-up Qoa, das kakaofreie Schokolade produziert, um eine Alternative zur Abholzung des Regenwaldes zu bieten. Zudem investiert der Fonds in Start-ups aus Sektoren, die „zu den fünf größten CO2-Schädlingen als Industrien gehören. Dazu gehören Energie, Bau, Industrie, Mobilität, Landwirtschaft und Ernährung“, sagt Saharova. Vor allem interessieren den World Fund junge Unternehmen, die Energiespeicherlösungen oder intelligente Ladeinfrastruktur herstellen oder alternatives Fleisch, so wie das dritte Start-up im Fonds, dass anders als der Marktführer Beyond Meat ein pflanzliches Steak am Stück herstellt. Kommende Woche sei der Deal in trockenen Tüchern.

Es gibt in Deutschland wenige Wagniskapitalgeber für Klima-Start-ups

Im Kampf gegen die Erderwärmung sind disruptive Technologien nicht nur essenziell, Start-ups brauchen dafür auch eine Menge Geld. Um bis 2045 klimaneutral zu wirtschaften, müssten allein in Deutschland 22,7 Milliarden Euro in klimarelevante Technologien investiert werden, berechnete die Deutsche Energie-Agentur (Dena) kürzlich. Allein für Ernährung und Agrarwirtschaft würden danach drei Milliarden Euro Venture Capital  (VC) im Jahr benötigt, im Energiesektor sogar fast sechs Milliarden, heißt es in dem Dena-Report.

Doch sind seit 2013 gerade mal sechs Milliarden Euro in europäische Cleantech-Start-ups geflossen. Verglichen mit den 25 Milliarden für US-Firmen nur ein Bruchteil, vor allem, wenn man bedenkt, dass die EU-Kommission in den vergangenen zwei Jahren 33 Milliarden Euro für Grundlagenforschung gegen den Klimawandel ausgegeben hat und in Europa im selben Zeitraum 102 Cleantech-Start-ups gegründet wurden – deutlich mehr als in den USA und China zusammen – und Europas Firmen auch noch 50 Prozent mehr Patente angemeldet haben als ihre Wettbewerber in den USA und China.

Das Missverhältnis lässt sich auch damit erklären, dass es bislang kaum Wagniskapitalgeber gibt, die ausschließlich in solche Start-ups investieren. Verwalten in den USA 41 solcher Fonds 100 Millionen Dollar oder mehr, sind es laut der Climate-50-Liste in Europa gerade mal sechs. Dazu zählen der skandinavische 2150 VC oder 360 Capital aus Paris. In Deutschland schloss der Kapitalgeber Revent Anfang des Jahres seinen Fonds mit etwa 50 Millionen Euro. Und der Frühphaseninvestor Speedinvest hat erst kürzlich einen neuen Greentech-Fonds gestartet, der auf 80 bis 100 Millionen Euro kommt und in bekannte Klima-Start-ups wie Sylvera und Planetly investiert hat. Der World Fund will diese Lücke schließen und wäre, käme auch das restliche Geld zusammen, der mit Abstand größte Klima-VC-Fonds in Europa.

Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.

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