Ethik in der Tierhaltung: Hat Fleisch noch Zukunft? - agrarheute.com
Christian Dürnberger ist Doktor der Philosophie und arbeitet am Messerli Forschungsinstitut in Wien in der Abteilung Ethik der Mensch-Tier-Beziehung. Die Frage, ob und wie die Nutztierhaltung in der Zukunft einen Platz in unserer Nahrungsmittelerzeugung haben wird, beschäftigt ihn schon seit Jahren. In seinem 2020 erschienen Buch "Ethik für die Landwirtschaft – Das philosophische Bauernjahr" setzt er sich unter anderem mit dem angespannten Verhältnis zwischen Agrarproduktion und Gesellschaft auseinander. agrarheute hat ihn zum Thema Zukunft der Nutztierhaltung befragt.
Herr Dürnberger, wenn wir beide uns in 20 Jahren in Wien in einem Restaurant treffen, können wir dann noch ein echtes Wiener Schnitzel bestellen?
Alles andere würde mich verwundern. 20 Jahre sind nämlich im Grunde eine kurze Zeitspanne, wenn es um so etwas wie Traditionen rund ums Essen geht. Aber klar ist, dass wir gegenwärtig eine eindeutige Dynamik erkennen: Die Nutztierhaltung ist im Fokus gesellschaftlicher Debatten. Und es gilt nicht gerade als schick und elitär, zu sagen, dass man gerne und viel Fleisch isst. Im Gegenteil, viele Menschen geben an, dass sie aus Klima- und Tierschutzgründen versuchen, sich mehr und mehr pflanzenbasiert zu ernähren.
Also alles nur Mode und gesellschaftlicher Zwang? Oder doch ein langfristig unumkehrbarer Trend?
Wir werden dem Veganismus nicht gerecht, wenn wir ihn als „bloße“ Modeerscheinung abtun. Im Gegenteil: Menschen, die vegan leben, tun dies aus bewusster Entscheidung und haben es in einer Gesellschaft, in der tierische Produkte als normal gelten, nicht gerade leicht im Alltag. Noch allerdings leben verdammt wenige Menschen konsequent vegan, würde ich behaupten.
Viele Tierhalter haben das Gefühl, von der modernen Gesellschaft mehr und mehr abgehängt zu werden. Selbst bei Ihnen in Österreich, wo klein strukturierte Biolandwirtschaft einen deutlich höheren Anteil hat als hier, gibt es viele Kritiker. Können Landwirte den Verbraucheranforderungen überhaupt noch gerecht werden?
Wenn man sich anschaut, wie umstritten die Nutztierhaltung ist, könnte man meinen, dass die Ackerbauern gesellschaftlichen Rückenwind spüren müssen – tun sie aber nicht. Auch sie haben das Gefühl, mehr und mehr kritisiert zu werden. Hier zeigt sich: Die Kluft zwischen Lebensmittelerzeugung und Konsum wird allgemein immer größer. Die Ansprüche steigen, das Wissen um die landwirtschaftliche Realität jedoch wird weniger und weniger. Der einzelne Bauer ist jedoch gut damit beraten, die Kritik und Wünsche Ernst zu nehmen.
Was meinen Sie damit konkret?
Beispielsweise müssen wir auf die Klimakrise reagieren, und zwar sowohl beim Essen wie auch bei der Mobilität oder unserem Tourismus. Zugleich muss uns klar sein, dass Forderungen nur dort erfüllt werden können, wo ein Handlungsspielraum ist – und eben dafür müssen wir als Gesamtgesellschaft sorgen. Als Konsument oder Bürger nur von „Tierwohl“ und „Klimakrise“ zu reden, ist zu wenig. Wir müssen uns die Frage stellen: Wollen wir überhaupt noch zukünftig eine Landwirtschaft in unserem Land? Und wenn ja, welche?
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Fleisch
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