Aldi spielt unfair | agrarheute.com - agrarheute.com

Da ist sie wieder, die kommunikative Karambolage. Aldi kündigt höhere Qualitätsanforderungen bei Fleischprodukte an und die bayerischen Bauern reagieren „schockiert“. Wieder stehen die Bauern als die Verhinderer da von gesellschaftlich erwünschten Verbesserungen bei Lebensmitteln. Weil niemand außerhalb der Landwirtschaft verstehen will, was wirklich passiert, wenn ein Handelsriese wie Aldi solche Pläne umsetzt.

Die Methode ist eigentlich hinlänglich aus anderen Industrien bekannt. Starke Einkäufer verlangen von ihren schwächeren Lieferanten höhere Standards und nutzen ihre Marktmacht, um besser verkäufliche Produkte für den „bestmöglichen“, also quasi unveränderten Preis anbieten zu können.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht handelt Aldi im Sinne einer Vorneverteidigung nur schlüssig. Wenn die Verbraucher drohen, wegen moralischen Unwohlseins beim Fleischeinkauf weniger in den Wagen zu legen, brauchen sie einen zusätzlichen Wohlfühlaufkleber mit einem grünen Balken, und alles ist wieder gut. Möglicherweise kaufen die erleichterten Verbraucher sogar ein Fleischpaket mehr als sonst, wenn es den richtigen Aufkleber und den richtigen Preis hat.
Portrait Carsten Matthäus, Leiter Verlagsbereich Argrar und Forst im dlv

Das Verhalten des Discounters wäre noch einigermaßen fair, wenn seine Dienstleister eine Chance hätten, die Verbesserungen mitzugestalten. Haben sie aber nicht. Sie müssen eine Forderung erfüllen, die nur für bestimmte Tierhalter erfüllbar sein wird. Hocheffizient hohe Fleischmengen mit modernen Tierhaltungsmethoden zu tiefstmöglichen Preisen zu erzeugen, das kann nicht jeder Bauer. Und wenn der kleine deutsche Bauer es nicht kann, dann macht es eben ein Großer irgendwo in der Welt. Fleisch lässt sich ja gut über längere Zeit transportieren.

Eine perfide Methode

Und hier ist das eigentlich Perfide an der Aldi-Methode: Die unvollständige Information der Verbraucher. Es wimmelt zwar nur so von Qualitäts-Labels auf den Verpackungen, aber die entscheidenden Informationen, wo das Fleisch und das Futter herkommt, wo es verarbeitet wurde und wer wieviel vom Verkaufs-Preis bekommt, kann er nur erahnen. Und weil er im Zuge eines Einkaufs mehrere Dutzend Entscheidungen binnen weniger Minuten trifft, verlässt er sich auf die Einkaufs-Expertise der Händler seines Vertrauens. Der klebt nun bald einen neuen grüne Balken aufs Fleisch und der Verbraucher greift bedenkenlos zu.
Die Realität der Fleischlieferanten sieht anders aus. Nur ein Beispiel von vielen: Eine schlimme Daumenschraube, die sehr viele Landwirtinnen und Landwirte aus dem Markt drängen wird, sind schon die Vorgaben beim Futter. Es darf bei den höchsten Haltungsformen nämlich überhaupt kein gentechnisch verändertes Futter benutzt werden, sonst wird selbst Fleisch mit höchsten Haltungsnoten automatisch zu „Billigfleisch“. Die zusätzlichen Kosten wird der schwache Bauer zu tragen haben, nicht der starke Handel. Weitere Zusammenbrüche von familiären Betrieben sind die Folge.
Wenn es aber so weitergeht, dass höhere Qualität bei Lebensmitteln eben nicht ihren Preis haben muss, weil immer ein Ausweg zu den industriellen Formen der Landwirtschaft im Ausland offen gehalten wird, dann wird auch der Strukturwandel in der Landwirtschaft weitergehen hin zu industrieller Produktion in einem weltweiten Effizienz-Wettlauf. Dann sollten man aber auch so konsequent sein und Landesflaggen für die Herkunft sowie Bilder der Großställe auf die Packungen drucken. Dann wäre es wenigstens annähernd ehrlich.

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