Halbe Sache - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Egal ob zu Gunsten des Tierwohls, der Umwelt oder der eigenen Gesundheit: Weniger Fleisch zu essen oder ganz auf eine vegetarisch-vegane Ernährung umzusteigen ist ein beliebter Vorsatz. An der Umsetzung hapert es jedoch häufig. Gemäß des „Fleischatlas 2021“ des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Heinrich-Böll-Stiftung blieb der Konsum von tierischen Produkte in den Industrienationen seit Jahren konstant hoch: 60 Kilogramm Fleisch verzehrte jeder Deutsche im Schnitt 2019, in Österreich waren es sogar vier Kilogramm mehr – das entspricht 1,2 Kilogramm Fleisch pro Woche. Und das, obwohl das Angebot an Fleischersatzprodukten stetig wächst.
„Die Lösungen, die momentan angeboten werden, sind für viele Fleischesser ein zu großer Kompromiss“, glaubt Philipp Stangl, Mitgründer und CEO des österreichischen Start-Ups „Rebel Meat“. Er ist überzeugt: Um die Reduktion des Fleischkonsums schmackhaft zu machen, „braucht es eine Lösung, die die Leute dort abholt, wo sie gerade sind.“ Alltagstauglich müsse sie sein, den Genussfaktor berücksichtigen und vollen Fleischgeschmack bieten. Mit der Molekularbiologin Cornelia Habacher sowie dem gelernten Koch und Unternehmer Wolfgang Haidinger hat sich Stangl auf die Suche nach so einem Produkt begeben. „Das war lebensmitteltechnologisch eine spannende Herausforderung, aber am Ende des Tages kamen wir zu einer simplen Lösung“, meint der 33-Jährige: Ein Burger-Pattie, das zu 50 Prozent aus Bio-Rindfleisch und zu 50 Prozent aus Bio-Kräuterseitlingen, Bio-Hirse sowie Gewürzen besteht.
Regionale und biologische Zutaten
Die kurze Zutatenliste ist dem Wiener Unternehmer genauso wichtig wie die regionale und biologische Herkunft der Inhaltsstoffe. Das gilt insbesondere fürs Fleisch: „Es stammt ausschließlich von glücklichen Kühen, die nur Gras fressen und kein Soja aus Brasilien“, sagt er. Die Kunden sollen sich selbst davon überzeugen können, dass es sich nicht nur um ein leeres Versprechen handelt: Ein QR-Code auf der Verpackung gibt Aufschluss darüber, woher das Fleisch kommt.
Weil Fleisch enthalten ist, seien auch keine Geschmacksverstärker oder Proteine nötig, so Stangl. Letztere müssten meist aus den Vereinigten Staaten importiert werden, sorgen deshalb für einen hohen CO2-Verbrauch vieler Fleischersatzprodukte und machen sie für diejenigen uninteressant, die aus ökologischen Gründen auf Fleisch verzichten.
Im Rebel Meat hingegen stecken kontrolliert biologische Rohstoffe aus österreichischer Landwirtschaft, die auch in der Bundesrepublik verarbeitet werden. Im Vergleich zu reinen Fleischprodukten spare Rebel Meat 40 Prozent C02 ein, sagt Stangl. „Das liegt daran, dass beispielsweise die fleischlosen Zutaten, die wir verwenden – wie Pilze – generell weniger Ressourcen brauchen und kontrolliert wachsen können.“ Die halben Burgerpatties einen hohen Ballaststoffgehalt auf, haben dabei aber nur halb so viel Cholesterin und einen geringeren Fettgehalt als herkömmliche Fleischpatties.
Die Produkte sollen noch günstiger werden
Seit etwas mehr als einem Jahr ist das Burgerpatty von Rebel Meat österreichweit in Burger-Lokalen und im Tiefkühlregal von Supermärkten erhältlich. Im März 2021 wurde eine Bratwurst ins Sortiment aufgenommen; und Mitte April kommen neue Produkte dazu: „Neben der Bratwurst wird es mit Käsekrainern ein typisch österreichisches Produkt geben“, erklärt Philipp Stangl. Auch Faschiertes, also Hackfleisch, ist in Planung, sowie ein weiteres Burgerpatty.
Anders als das bisherige Produkt soll die neue Ware in der Frischfleischtheke zu finden sein. Außerdem soll der teure Pilz durch Gemüse-Kombinationen ersetzt werden. „Damit liegen wir dann im gleichen Preissegment wie Standard-Biofleisch“, sagt Stangl, der seine Produkte bald auch in der Schweiz und in Deutschland vertreiben will. „Langfristig ist das Ziel, den Preis weiter zu senken und Biofleisch leistbarer zu machen.“
Mittelfristig will Rebel Meat den Fleischanteil seiner Produkte weiter minimieren, ohne an Geschmack einzubüßen. Das Start-Up kooperiert etwa mit einem belgischen Produzenten, der tierisches Fett im Labor herstellt. Stangl kann sich vorstellen, dieses später in seinen Produkten zu verwenden – „wenn der Konsument das will“.
Das Ziel sei nicht, Fleisch vollständig zu ersetzen und die „Kuh als Klimakiller“ zu diffamieren. „Es gibt Argumente, die für eine ökologische Nutztierhaltung sprechen. Rinder sind beispielsweise für den Humusgehalt im Boden wichtig“, sagt Stangl. Entscheidend sei deshalb nicht nur „weniger Fleisch zu essen, sondern vor allem besseres Fleisch“. Wenn die Österreicher ihren Fleischkonsum auf ein Viertel reduzieren würden, also von 1,2 Kilogramm auf 300 Gramm pro Woche, wäre die Fleischproduktion nachhaltig machbar, glaubt der Unternehmer – ohne den Import von Kraftfutter, dafür mit Kühen auf der grünen Weide.
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