Chia, Insekten-Protein, Vitamin-D: Sind neuartige Lebensmittel wirklich besser? - Augsburger Allgemeine

Chiasamen haben die Regale bereits erobert, andere Novel-Food-Artikel sollen den Cholesterinspiegel senken oder liefern mehr Vitamin D. Was davon zu halten ist.

Exotische Früchte, Convenienceprodukte, Lebensmittel mit einem Plus für die Gesundheit – im Supermarkt gibt es ständig neue Angebote, die zum Kauf locken. Doch Hersteller dürfen neue Zutaten nicht beliebig entwickeln und vermarkten. Für bestimmte neuartige Lebensmittel schreibt die EU auf Basis der sogenannten Novel-Food-Verordnung ein Zulassungsverfahren vor. Das soll helfen, mögliche Risiken im Vorfeld zu erkennen.

Neuartige Lebensmittel sind beispielsweise Pflanzen, Pilze oder Mikroalgen, die bislang gar nicht oder zumindest nicht in der EU als Nahrung verzehrt wurden. Hier muss zum Beispiel geprüft werden, ob ein Allergierisiko besteht oder welche Verzehrmengen als sicher zu erachten sind.

Bei den ballaststoffreichen Chiasamen etwa gilt eine Menge von 15 Gramm als vorsorgliche Tageshöchstmenge. Obwohl Chiasamen in ihrem Nährstoffprofil herkömmlichen Leinsamen gleichen, hat ihre Zulassung wie ein Türöffner gewirkt: Mittlerweile gibt es die kleinen Körnchen in Müslis, Getreideriegeln, Süßwaren, Brot und Kleingebäck. Andere neuartige Pflanzen, wie etwa die aus dem Pazifik stammende Noni-Frucht, bleiben dagegen eine Randerscheinung.

Novel Food: Die Hürden in der Europäischen Union sind hoch

Die Hürden für Novel Food sind hoch, sodass es Jahre dauern kann, bis die EU eine Zulassung erteilt, wie zum Beispiel im Fall der südamerikanischen Steviapflanze. Diese produziert in ihren Blättern süß schmeckende Pflanzenstoffe und sollte als natürlicher Zuckerersatz vermarktet werden. Vom ersten, schließlich abgelehnten Antrag im Jahr 1997 auf Zulassung der Stevia-pflanze als neuartiges Lebensmittel dauerte es bis Ende 2011, bis die EU schließlich den aus Stevia gewonnenen Zusatzstoff Steviolglycosid E 690 genehmigte. Heute ist er zum Beispiel in Tablettenform als Tafelsüße erhältlich und darf verschiedenen Lebensmitteln und Getränken zugesetzt werden.

Zum Abnehmen und Zuckersparen setzen viele Verbraucher auf Süßstoffe. Forscher haben jedoch ihren Zweifel daran, dass diese Strategie aufgeht.

Bild: Jens Kalaene, dpa

Häufig möchten Antragsteller mit einem möglichen Gesundheitsnutzen ihrer Produkte werben. Hier verlangt die EU umfangreiche wissenschaftliche Nachweise. Zugelassen hat sie beispielsweise phytosterinhaltige Streichfette, Milch- und Sojaprodukte. Phytosterine kommen in Nüssen und Samen vor. Sie ähneln in ihrem Aufbau dem Cholesterin und können bei regelmäßigem Verzehr den LDL-Cholesterinspiegel um etwa zehn Prozent senken. Diese medizinische Wirkung rückt ein Lebensmittel wie Margarine in die Nähe eines Medikaments, bei dessen Einnahme Höchstmengen und Wechselwirkungen zu beachten sind. Entsprechend viele Warnhinweise müssen aufgedruckt sein. Dennoch stehen phytosterinhaltige Lebensmittel im Supermarktregal neben herkömmlichen, sodass eine Verwechslungsgefahr bestehen bleibt.

Mehr Vitamin D in bestrahlten Pilzen, in Milch und Gebäckstücken

Auch technische Verfahren können unter die Novel-Food-Verordnung fallen. So hat die EU jüngst mit UV-Licht behandelte Pilze, Bäckerhefe, Milch, Brot und Kleingebäck zugelassen. Die Behandlung mit ultraviolettem Licht erhöht den Gehalt an Vitamin D2 in diesen Produkten.

Die Bestrahlung dauert maximal fünf Sekunden, der zulässige Wellenlängenbereich und die Strahlungsenergie sind dabei genau festgelegt. Vitamin D kommt von Natur aus nur in wenigen Lebensmitteln vor, etwa in fettreichem Seefisch. Gerade bei einer veganen Ernährung zählt Vitamin D zu den kritischen Nährstoffen, obwohl der Körper bei Sonneneinstrahlung einen Teil seines Bedarfs durch Eigensynthese in der Haut decken kann.

Antragsverfahren für Insekten-Produkte

Aktuell gibt es etliche laufende Antragsverfahren für Speiseinsekten wie Hausgrillen, Wanderheuschrecken oder Mehlwürmer. Es gibt auch bereits Produkte zu kaufen, die diese Tiere ganz oder gemahlen enthalten, etwa Proteinriegel, Knabbersnacks oder Insektenmehl. Möglich ist das durch eine Übergangsregelung, die den Verkauf bis zur endgültigen Entscheidung der EU gestattet. Das bedeutet allerdings auch, dass noch viele Fragen zur Sicherheit von Insekten für den menschlichen Verzehr offen sind, etwa zu Allergie- oder Hygienerisiken.

Zur Autorin: Andrea Danitschek ist bei der Verbraucherzentrale Bayern als Fachberaterin für Lebensmittel und Ernährung tätig.

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