Bio-Fleisch und regionale Ware: Schmeckt es wirklich besser? - Hannoversche Allgemeine

Sollte Tierwohl ein festes Qualitätskriterium bei Fleisch werden? Sonja Faber vom Bio-Restaurant Zurück zum Glück und Benjamin Busmann vom Steakhouse Lindenblatt stehen HAZ-Feinschmecker Hannes Finkbeiner dazu Rede und Antwort.

Herr Busmann, Sie haben mit dem Lindenblatt einen Tempel rund um das Thema Fleisch gebaut, wie wichtig ist Ihnen Tierwohl in der Beschaffung Ihrer Ware?

Benjamin Busmann: Das ist bei uns das mitunter wichtigste Thema. Wir haben aber den Luxus, dass der Gast bei uns mehr bezahlt als in anderen Läden. So können wir auf Qualität und Nachhaltigkeit gleichermaßen achten. Wir arbeiten mit Premiumunternehmen zusammen. Auch wenn wir also australisches Rind verarbeiten, weiß ich, die Tiere sind aufgewachsen, wie sich das gehört.

Gilt das auch für Ihr australisches Wagyu-Beef? Vor allem die Rinder aus japanischer Zucht gleichen ja eher französischen Stopfgänsen …

Busmann: Es ist eine extreme Mast, ja, wir haben aber eine Farm dahinter, die die Tiere erst nach 16 Monaten Freilauf reinholt. Anbindehaltung wird dann aber auch nicht praktiziert.

Ich habe einmal mit einem Koch gesprochen, der sagte, 99 Prozent der Hühner, die in Deutschland gegessen würden, hätten ein mieseres Leben gehabt als die Stopfgänse, die er verarbeitet. Wird bei dem Thema mit zweierlei Maß gemessen?

Busmann: Wenn man sich das deutsche Gesetz ansieht, wonach auf einem Quadratmeter 26 Hühner gezüchtet werden dürfen, dann läuft etwas schief. Ich verurteile nicht die Mastbetriebe, die sich im gesetzlichen Rahmen bewegen, sondern die Gesetzgebung, die so etwas erlaubt.

Wie läuft es mit der Beschaffung der Bio-Ware?

Frau Faber, Sie arbeiten ausschließlich mit biozertifizierter Ware, Ihr Fleisch stammt sogar von Biolandhöfen – wie schwer war anfänglich die Warenbeschaffung?

Sonja Faber: Unser Start vor elf Jahren war holprig, auch heute ist die eine oder andere Ware manchmal nicht verfügbar, das betrifft aber auch Gemüse. Im Zuge der Bio-Welle mussten viele Betriebe eben zuerst in die Rolle des größeren Anbieters hineinwachsen. Der Unterschied zum Lindenblatt ist aber sicherlich, dass wir kein fleischlastiges Restaurant sind. 70 Prozent unserer Gerichte sind vegetarisch, wir sind also nicht auf große Mengenlieferungen an Fleischwaren angewiesen.

Besuche bei den Produzenten schaffen Nähe

Wie wichtig ist es Ihnen, die Gegebenheiten Ihrer Produzenten vor Ort zu kennen?

Faber: Wir waren einmal auf beiden Höfen, von denen wir Fleisch beziehen, das sind Buchheister und Farenzhausen. Da ist jetzt sicher mehr Bezug da, wie wenn ich das Fleisch im Großhandel aus der Kühltruhe holen würde. Aber in der täglichen Arbeit bringt es mir auch nichts, wenn ich dauernd mit Gummistiefeln über den Acker laufe. Und ehrlich: Die Gastronomen, die ständig mit dieser verträllerten Romantik werben, zig Fotos von einem regionalen Hof hochladen, das funktioniert gut bei Instagram, aber wie viel Substanz wirklich dahintersteckt, das bleibt oft undurchsichtig.

Ausdruck Regionalität plötzlich inflationär

Busmann: Das stimmt. Jeder schreibt sich Regionalität plötzlich auf die Fahnen. Wenn das immer der Wahrheit entspräche, dann müssten die Weideflächen leer sein. So viel Ware gibt es gar nicht.

Wie wirkt sich das Biofleisch auf Ihre Kostenkalkulation aus?

Faber: Würde ich so kalkulieren, wie es in TV-Shows runtergebetet wird, müssten unsere Fleischgerichte das Doppelte kosten. Das könnte ich nicht an unsere Kunden weitergeben.

Busmann: Warum nicht? Wenn ein Huhn ein doppelt so langes Leben hat, dann muss es doppelt so lang gefüttert werden. Dieser Wert muss doch umgelegt und kann dem Gast kommuniziert werden.

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Faber: Der Unterschied liegt in der Ausrichtung unserer Läden. Die Abendgastronomie kann höhere Preise abrufen, wir leben vom Tagesgeschäft. Da kann ich bei Fleischgerichten nicht mehr als 20   Euro verlangen. Was wir tun, ist, kein XXL-Schnitzel auf die Teller zu legen. Und in ein Currygericht kommen bei uns zwei Drittel Gemüse und ein Drittel Huhn. Das wünscht sich unsere Kundschaft auch. So machen wir bei diesen Gerichten etwas Gewinn.

Bio muss nicht immer besser schmecken

Bio heißt ja nicht zwingend, dass es besser im Geschmack und vor allem auch besser bei der Beschaffenheit des Fleisches ist. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Faber: Bio ist kein Siegel für Geschmack. Wenn ich einen guten Metzger ums Eck habe, der das seit Jahrzehnten macht und von einem guten Züchter sein Fleisch bezieht, der nicht biozertifiziert ist, dann kann das durchaus besser schmecken. Wobei speziell bei Geflügelfleisch die Unterschiede schon sehr deutlich zu spüren sind.

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Busmann: Da stimme ich zu. Zwischen einem guten argentinischen Rind und einem deutschen Bio-Rind besteht nicht zwingend ein großer Unterschied, aber bei Geflügel ist das eine andere Sache. Beim Schwein übrigens auch: Sei es ein Havelländer, Iberico oder Schwäbisch-Hällisches Landschwein, da reden wir über echten Geschmack  …

Zart und mild sind zwei der gängigsten und oft auch die einzigen Kriterien, mit denen Fleisch beurteilt wird – nach welchen Kriterien beurteilen Sie ein Fleischerzeugnis?

Busmann: Ich will Eigengeschmack! Warum soll ich Fleisch essen, wenn es nicht nach Fleisch schmecken soll? Und wenn ein Stück Fleisch so zart ist, dass ich es am Gaumen zerdrücken kann, ist es nach Sekunden geschluckt – ist das der Sinn der Sache?

Gesellschaft akzeptiert weiterhin Billigfleisch

Müsste Tierwohl zwingend zur Kaufentscheidung bei Fleischerzeugnissen beitragen? Und welche Auswirkungen hätte das auf die Gastronomie?

Busmann: Ich habe als Gastronom die Entscheidungsfreiheit, ob ich billiges Hähnchen anbiete. Aber das Problem ist nicht die Gastronomie, das Problem ist die Gesellschaft   …

Faber: Es gibt einfach keinen Grundkonsens bei dem Thema. Bei Billigfleisch geht es ja nicht nur ums Tierwohl, sondern auch um faire Arbeitsbedingungen. Die große Masse freut sich trotzdem eher darüber, wenn das Grillhähnchen am Wagen nach 17 Uhr einen Euro billiger wird.

Busmann: Ich habe heute ein Angebot gesehen: ein Kilogramm Schweinehack für 3,95 Euro – wenn die Leute wüssten, wie das Schwein gelebt hat, würde ein Großteil das nicht kaufen, da bin ich sicher. Das müsste einfach transparenter werden.

Von Hannes Finkbeiner

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