Aldi, Rewe, Lidl: Hat Metzger wirklich bessere Steaks? "Fleisch-Papst" klärt auf - FOCUS Online
Nach den jüngsten Vorschlägen des neuen Landwirtschaftsministers Cem Özdemir (Grüne) stehen Tierwohl und Fleischpreise in Deutschland wieder auf dem Prüfstand. Viele Verbraucher fragen sich jetzt auch: Wo kann ich Steaks, Hähnchen und Würstchen eigentlich noch bedenkenlos kaufen?
Aldi und Lidl: Wie gut ist das Fleisch vom Discounter?
Gerade den Discountern wird immer wieder vorgeworfen, ihr Fleisch aus Großbetrieben zu beziehen, die es mit der Qualität nicht ganz so genau nehmen. Eine Anfang des Jahres veröffentlichte Greenpeace-Untersuchung hat das Fleischangebot neun führender Lebensmittelanbieter - darunter Discounter wie Aldi, Lidl, Rewe, Real und Kaufland - unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: 88 Prozent des Frischfleisches stamme aus „prekären Viehhaltungsbedingungen“. Doch auch viele Metzgereien, die viele Verbraucher für die bessere Alternative halten, beziehen ihr Fleisch inzwischen aus Großbetrieben. Wo also für die Grillparty einkaufen?
Dirk Ludwig ist Fleischermeister und Experte für Fleischveredelung. Er unterrichtet an der Fleischerschule in Augsburg angehende Fleisch-Sommeliers und ist in der Szene deutschlandweit als „Fleisch-Papst“ bekannt. Ludwig sagt: Die Qualität von Fleisch wird durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt. „Es gibt 35 Kriterien, die mal mehr und mal weniger die Qualität von Fleischprodukten beeinflussen“, so Ludwig im Gespräch mit FOCUS Online.
Experte Ludwig sagt: „Billiges Fleisch muss nicht immer schlecht sein. Und gutes Fleisch nicht immer teuer.“ Es könnte also durchaus sein, dass man auch im Discounter-Regal ein gutes Lendensteak ergattern kann. Trotzdem, so Ludwig, stecke hinter den niedrigen Preisen im Discounter-Angebot in der Regel eine gewisse Logik. „Arbeitszeit, Mühe und Tierwohl spiegeln sich natürlich auch im Preis wider“, so der Fleisch-Experte. Das hat auch Auswirkungen auf den Geschmack. „Alter, Fütterung, Transport und eine stressfreie Schlachtung bestimmen die Qualität von Fleisch“, sagt Ludwig.
Äußere Merkmale sagen viel über Qualität von Fleisch aus
Doch wie erkennt man als Verbraucher, ob ein Steak oder eine Lende artgerecht und unter fairen Bedingungen produziert wurde – und auch noch schmeckt?
Ratsam sei generell, Fleisch aus der Region zu kaufen, empfiehlt Ludwig. Von Siegeln hält der Metzger indes weniger. Denn auch wenn Transparenz und Kontrolle gut seien, würde das nichts über die tatsächliche Fleischqualität aussagen. Der Experte empfiehlt, sich auf das eigene Auge zu verlassen. Denn auch äußere Kriterien können Hinweise auf die Qualität des Produktes geben und dem Verbraucher so als Orientierung dienen. Dazu zählen:
- Farbe: Welche Farbe das Fleisch idealerweise hat, hängt vom Tier und seinem Alter ab, erklärt Ludwig. Bei jungen Tieren sei das Fleisch heller als bei älteren. Bei Rindfleisch gilt: Nur der Anschnitt sollte hellrot sein, der äußere Rand dunkelrot. Schweinefleisch muss hingegen zart rot bis hellrot sein. Ein weiteres Indiz für hochwertiges Fleisch sei zudem eine leicht glänzende Oberfläche.
- Marmorierung: Gutes Fleisch erkenne man zudem an einer feinen Fettmarmorierung, sagt der Fleisch-Sommelier. „Mittlerweile ist bekannt, dass das magere Fleisch nicht den optimalen Genuss bietet. Heute sind deshalb wieder Schweine und Rinder gefragt, die etwas mehr Fett in der Muskulatur aufweisen, also marmoriertes Fleisch liefern.“ Die Fetteinlagerungen „schmelzen“ bei der Zubereitung und machen das Fleisch zart, saftig und sorgen für einen guten Geschmack, erklärt er.
- Geruch: Das rohe Fleisch sollte Ludwig zufolge frisch und unauffällig riechen, also kein intensives Aroma haben.
- Form: Hochwertiges Fleisch sei fest und würde auf Fingerdruck leicht nachgeben, so Ludwig.
- Faserstruktur: Bei der Zubereitung des Fleisches rät der Experte seinen Kunden, auf die Faserstruktur des Fleisches zu achten: So würden sich feinfaserige Teilstücke zum Kurzbraten eignen, Teilstücke mit festen, gröberen Fasern wären zum Schmoren oder Kochen ideal.
In den Augen des Fleisch-Sommeliers müsste jeder Kunde am Ende aber für sich selbst definieren, was Qualität für ihn bedeutet und wie er sie definiert. „Und dann hilft nur fragen, fragen, fragen an der Theke, um nicht nur das richtige Fleisch, sondern auch seinen Metzger des Vertrauens zu finden“, sagt Ludwig.
Er ist selbst kritischer Verbraucher und vertritt die Meinung, dass man lieber weniger, aber dafür gutes Fleisch essen sollte, was dementsprechend auch mehr kostet. „Corona hat dahingehend aber einen positiven Effekt: Wir merken gerade, dass immer mehr Menschen angesichts der Vorkommnisse bei Tönnies und Co. ihr eigenes Verhalten, ihren Fleischkonsum hinterfragen und intelligenter und hochwertiger einkaufen“, sagt er.
„Fleischpapst“ führt Betrieb wie aus dem Bilderbuch
Der Fleisch-Sommelier betreibt seinen Betrieb bereits in vierter Generation und führt eine moderne Metzgerei wie aus dem Bilderbuch. „Wir sind die auf dem platten Land in Hessen und haben noch ein eigenes Schlachthaus“, erzählt er. Jeden Montag bringt der Landwirt aus der Region die Schweine, die dann der eigene Betrieb schlachtet und zerlegt. „Das ist wohl das, was sich viele Verbraucher im Idealfall vorstellen“, sagt er und muss schmunzeln.
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